Die 10 besten Tricks für ratlose Radler
Als ich mal wieder einen Platten hatte und zum bequemeren Flicken das Hinterrad ausgebaut hatte, bekam ich einen Schreck: Die Rahmenöse zur Befestigung der Hinterachse hing nur noch an einem ganz kleinen Zipfel und der Rest war an der anderen Seite sogar vollständig abgebrochen. Obwohl die Achse noch in richter Spurlage war, hätte man bei völligem Bruch bös auf die Fresse fliegen können.
Der Reifen war gleich geflickt, aber der Einbau des Hinterrads bereitete sodann etwas Schwierigkeiten. Derweil war dieses Rad der Marke "Jungherz" eigentlich bislang mein Qualitativ bestes und außer dem Sattel, Reifen und Bremsen war der Rahmen der bislang erste ernsthafte Defekt. Nach mehr als 5 Jahren war blöderweise auch die Garantie abgelaufen. Vielleicht läßt sich ja was auf Kulanz machen? So ging ich eben mal zum Händler um wenigstens die Anschrift des Herstellers rauszukriegen. Aber leider eine Fehlanzeige. Die Firma Jungherz war zwar gleich hier in Göppingen um die Ecke, aber die Firma war erloschen und es hat sich definitiv ausgeherzt. Also war guter Rat teuer.
Aber mein Rad (auf dem ich schon so viel gefahren bin) ist eben so gut wie ein Teil von mir und wegwerfen kommt gar nicht in die Tüte. Anschweißen der Bruchstelle ist eben Murks der wahrscheinlich nicht hält und auch schlecht verantwortet werden kann. Jeder Hobbybastler der etwas auf sich hält, weiß außerdem, daß Fahrradrahmen nicht geschweißt, sondern hartgelötet sind. Also habe ich mir mal andere Rahmen vom Schrott angeschaut, ob sich hier nicht irgendwo eine gute Öse für die Hinterachse ausschlachten lässt. Aber nein - auch hier eine Fehlanzeige denn die Ösen sehen an allen Fahrradrahmen auf dem Schrott anders aus. Dabei hatte ich noch alle Mühe, daß die (polnischen, ungarischen und tschechischen) Schrotthändler mein gutes Rad nicht gleich behalten haben. Natürlich hätten sie es geflickt und wären darauf noch jahrelang gefahren. Aber was die können, das können wir schon lange selber auch. Wer selber meint, so etwas nicht selber machen zu können schaut sich zunächst auf der Grundlagenseite über Gas um.
Also guckt man auf dem Schrott nach einem Stück Abfallblech in 4 mm Stärke. Edelstahlblech ist natürlich vom Feinsten weil es nicht rostet. Mit etwas verschärftem Blick findet man am Hafen auf dem Schrotthaufen dann auch immer irgendwelche Eisenbahnwagen oder Großküchenkessel die in der Materialdicke passen und die zum Fahrradrahmen-Ersatzteil umgeschmiedet werden können.
Zuerst lötet man das stehengebliebene Reststück aus dem Rahmen aus und zeichnet dann mit einem Filzstift die auszuschneidende Kontur auf dem neuen Materialstück auf. Beim Auslöten braucht nicht einmal der Bowdenzug der Gangschaltung abmonitert werden, wenn man diesen zum Schutz vor der Hitze mit einem nassen Lumpen umwickelt. Ausschitte können vorgebohrt werden und mit einer Bügelsäge wird die spätere Kontour angenähert. Innenradien können entweders mit einer Halbrundfeile oder auch am Schleifbock angenähert werden. Außenradien macht man am besten mit einer normalen Flachfeile indem man Tangenten an die Kurve anlegt, diese dann wiederholt in der Länge halbiert und die Ecken dann zuletzt mit einem Feilenschwung verzieht.
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Innenliegende Aussparungen werden mit verschiedenen Bohrlöchern annährerungsweise vorgebohrt und dann mit einem Trennmeisel ausgestanzt. Der Bart des Hammers am gezeigten Foto ist übrigens genau so wie er nicht sein sollte (Bart wegen Unfallgefahr immer abschleifen).
Das ganze Teil ist aber nicht nur flach sondern gekröpft. Diese Abkröpfung korrigiert die Richtung der leicht V-förmig angebrachten Rahmenholme zu einer parallelen Ausrichtung der Befestigungsösen exakt rechtwinklig zur Hinterachse. Das Biegen erfolgt im Schraubstock mit einem Hammer und einem Stück untergelegtem Kunststoff, damit das Werkstück keine Dellen bekommt. Zur Kontrolle kann man es jeweils mit dem Originalteil vergleichen.
Letztendlich wird noch das Loch für die Befestigung des Kotflügels gebohrt und das neue Teil kann eingelötet werden. Hierzu müssen die Rahmenholme von alten Lackresten und Zunder sorgfältig gereinigt werden und die Lötstellen dann mit einer Flußmittelpaste eingepinselt weden. Die Flußmittelpaste muß zum verwendeten Lot passen - am besten man lässt sich hier vom Werkzeughändler beraten. Der im Hintergrund des mittleren Bilds gezeigte Harlotstab ist eine billige Ausführung mit geringem Silbereranteil wie sie früher von jedem Heizungsinstallatuer verwendet wurde. Heutzutage können die meisten Heizungsinstallateuere leider nicht mehr löten und haben auch gar keine Gasflaschen mehr im Betrieb, weil irgend ein Fuzzi mal ausgerechnet hat, daß das nicht wirtschaftlich sein soll. Es gilt aber noch immer: Je höher der Silberanteil ist, desto niedriger ist die Schmelztemperatur und desto teuerer ist das Lot. Für ein gutes Silberlot muß man schon mal so um die 5 Mark für einen Stab hinlegen. In diesem Falle geht aber auch Lot mit höheren Schmelztemperaturen genauso gut.
Rechts das fertig eingelötete Teil was jetzt nur noch angestrichen werden sollte. Wer gesteigerten Wert auf das Design legt, lackiert natürlich in Wagenfarbe. Das ganze Projekt wurde an einem sonnigen Nachmittag im Hof durchgezogen und wahrscheinlich wäre die Montagezeit für einen neuen Rahmen auch nicht viel kürzer gewesen. Auf diese Weise lassen sich auch gebrochene Rohre im Rahmen bestens flicken. Dazu braucht man gar nicht das ganze Rohr austauschen, sondern es genügt, wenn man einfach eine Hülse über die Bruchstelle darüberlötet. Bleibt also abschliessend noch die Frage, warum keiner der der vielen deutschen Fahrradhändler eine solch einfache Reparatur heutzutage nicht mehr hinkriegt?
Leider scheint es bei Fahrrädern momentan fast genauso wie bei Windows von Bill Gates zu sein. Die ganze Welt begibt sich eine Abhängigkeit, von welcher sie sich mit absehbarem Aufwand nicht mehr lösen kann. Die Dominanz ist erdrückend: SHIMANO hat im Bereich der Kettenschaltungen ein weltweites Monopol mit einem Marktanteil von über 80%. Die traditionsreiche deutschen Fichtel & Sachs Werke in Schweinfurt wurden von Mannesmann-Sachs und dann wiederum 1997 von SRAM aus Chicago übernommen. Das ebenfalls traditionsreiche deutsche Unternehmen Mannesmann ist hier natürlich wieder ebenso eine tragische aber seperate Geschichte. SRAM hat nun einen Weltmarktanteil bei Nabengetrieben welcher auf über 60% geschätzt wird. Yoshizo Shimano verkauft in Europa seine Nabengetriebe unter der Marke Nexus angeblich sogar billiger als in Japan selbst, um auch noch das europäische Monopol zu erlangen. Er nahm im Jahr 2000 132,5 Mrd. Yen ein, davon 70% für Fahrradteile und den Rest im Fischereigeschäft. Monopole wie SRAM und Shimano können nicht durch dirigistische Maßnahmen wie Einführzoll geregelt werden und das fürchtet auch die Zweirad Einkaufsgenossenschaft , denn die Folge davon wird sein, daß Fahrräder vermehrt im europäischen Ausland gebaut werden und Produktionskapazitäten und Arbeitsplätze in Deutschland weiter abgebaut werden.
Also ihr lieben Fahrradhändler: Erzählt euren Titanlenkerkunden doch einfach mal ob Japan oder Amerika das kleinere Übel ist. Der Euro ist ja ebenfalls im Sturzflug, Daimler geht auch nach Amerika und die deutsche Nationalelf taugt sowieso nix mehr. Jedenfalls: Mit oder ohne passende Farbe läuft das Rad bislang wieder einwandfrei und ich kann überall hinfahren wo ich will.