Revoluzzen liegt ihnen im Blut
Die Kommunisten in der
Obersteiermark. Ihre Wurzeln, ihr
Politikverständnis, ihre Zukunft: Was
verschafft den Dunkelroten wieder Aufwind in der
Grünen Mark? Der Versuch einer Annäherung.
JOSEF FRÖHLICH
Seit gut einer
Woche ist das obersteirische Industriegebiet
politisch noch röter gefärbt als gewohnt.
Sozialdemokraten? Daran hat sich der Ober-steirer
gewöhnt. Die regieren seit Jahrzehnten in den
Städten. Aber Kommunisten? Warum sind die
urplötzlich wieder da? Mit mehr als zehn Prozent der
Stimmen und drei Mandaten drittstärkste Kraft in
Leoben. Einem guten Zehntel der Stimmen auch in
Trofaiach – der einzigen Gemeinde Österreichs, in
der die KPÖ nun zweitstärkste Kraft ist.
Mürzzuschlag, Knittelfeld, Zeltweg, Fohnsdorf,
Judenburg, Eisenerz sowieso. Überall sitzen die
Dunkelroten in den Gemeinderäten, teils kräftig
gestärkt.
Versuchen wir, uns diesem Phänomen anzunähern.
Klar,
im Fahrwasser von Genosse 20 Prozent, dem Grazer
Stadtrat Ernest Kaltenegger, lässt sich’s leicht
gewinnen. Das wäre so eine Annäherung. Sie greift
aber zu kurz.
Unbequem
Die
Erfolge der KPÖ haben tiefere Wurzeln. Ob Werner
Murgg in Leoben, Karl Fluch in Eisenerz, Gabriele
Leitenbauer in Trofaiach, Renate Pacher in
Knittelfeld, Franz Rosenblattl in Mürzzuschlag – wie
die obersteirischen Kommunisten (auch Kaltenegger
ist gebürtiger Obersteirer) immer heißen: Sie sind
den Regierenden unbequem. Fallen nicht durch
Wadlbeißerei oder Polemik in den Gemeinderäten auf,
versuchen sachlich zu wirken, die Ideologie jedoch
niemals vergessend.
Sie tragen ihre Argumente mit Hilfe von
Parteiblättern unters Volk, die nicht
marktschreierisch gehalten sind, sondern nüchtern
informativ. Und die Beachtung finden: „Die
Knittelfelder KPÖ-Nachrichten waren schon immer das
einzige Parteiblatt, in dem die Wahrheit gestanden
ist“, kommentiert ein hoher SPÖ-Funktionär, der
einst selbst kommunistisch gewählt hat. „Damals,
1975, haben alle aus meiner sozialdemokratischen
Verwandtschaft die KPÖ gewählt – aus Protest gegen
den damaligen Bürgermeister, der einen Dämpfer
bekommen sollte.“
Der Protest. Immer schon ein wichtiger Faktor für
die KPÖ. Angeblich gab’s diesmal sogar die eine oder
andere Stimme aus dem bürgerlichen Lager – auf
Bekenner sind wir bisher allerdings nicht gestoßen.
Es braucht einen weiteren Sprung zurück in die
Geschichte als bis 1975 und einen Blick auf den
Menschenschlag, um das Phänomen KPÖ in der
Obersteiermark zu begreifen.
Beispiel Zwischenkriegszeit, Arbeiteraufstand 1934.
Der Historiker Karl Stocker berichtet von der Aktion
einiger Eisenbahner aus Knittelfeld. „Sie sind nach
dem gescheiterten Aufstand zu einem gewissen Dr.
Krank nach Graz gefahren, um sich sterilisieren zu
lassen. Mit der Begründung, sie wollten für einen
Arbeitermörder-Staat keine Kinder zeugen.“
Widerstand
Den
Widerstand im Zweiten Weltkrieg organisierten
Kommunisten unter Einsatz ihres Lebens zu einem
guten Teil von der Mur-Mürz-Furche aus. Und der
einstige KP-Chef Johann Koplenig, einziger
KPÖ-Staatssekretär (1945), später
Nationalratsabgeordneter, fädelte schon während
seiner Schuhmacher-Lehre in Judenburg einen Streik
ein. 1921 gründete er die KPÖ-Ortsgruppe in
Knittelfeld.
Vielleicht ist es die Angst vieler Wähler vor dem
Superkapitalismus, der den roten Wurzeln wieder
Nährstoff gibt. Vielleicht der Protest gegen alles
Schlechte im Staat; vielleicht ist es auch einfach
nur schick, wieder ein bisschen zu revoluzzen statt
nur zu konsumieren. Motivforscher ans Werk,
bitteschön!
Für
alle, die nach der Gemeinderatswahl schon die rote
Gefahr wittern und sich vor der Landtagswahl
fürchten, hier noch eine Beruhigungspille: 607.000
Menschen haben am 13. März in der Steiermark gewählt
– exakt 4610 davon die KPÖ.
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