Alles hat ganz harmlos angefangen.
Vor fast 20 Jahren wurden die 20 steirischen Spitäler der Landesverwaltung in eine Gesellschaft (KAGes) ausgegliedert, mit der Zielsetzung zeitgemäße Medizin zu gewährleisten, die Spitäler endlich wirtschaftlich zu führen (Verabschiedung von der unflexiblen Kameralistik), vermehrt investieren zu können und den Landeszuschuss zu deckeln.
Als eine der ersten Maßnahmen wurde der rechtliche Status des Personals verändert. Rechtsgrundlage für neu Eingestellte war nun das Angestelltengesetz und die Betriebsvereinbarung. Dies erwies sich aber im Laufe der Zeit als unpraktikabel. Die neue Fassung der Dienstzeit-Regelung in öffentlichen Spitälern machte Schwierigkeiten, so dass 1997 wieder das Landes-Vertragsbediensteten-Gesetz eingeführt wurde.
Im Jahr 1999 erfolgte ein weiterer entscheidender Schritt: Die steirische Landesregierung holte aufgrund eines Prüfungsberichtes des Landesrechnungshofes eine Gutachterfirma, die die Reorganisation der gesamten Organisationsstruktur der KAGes empfahl. Daraufhin gab die Landesregierung ein weiteres Gutachten in Auftrag, diesmal bei der uns heute nicht unbekannten Firma KÖCK, Ebner & Partner. Der Name Köck sollte auch im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen.
Inzwischen war das Universitätsgesetz 2002 in Kraft getreten und veränderte die Stellung des LKH-Univ.Klinikums. Das nahm der KAGes-Aufsichtsrat zum Anlass die europaweite Ausschreibung eines Managementvertrages zu empfehlen, die in trauter Gemeinsamkeit der roten und schwarzen Landesräte Erlitz und Schützenhofer sofort in Angriff genommen wurde.
Jedoch, das europaweite Echo der Ausschreibung hielt sich in Grenzen. Interessiert zeigten sich vor allem deutsche und österreichische Konsortien. Und wieder taucht der Name KÖCK auf. Der Gesundheitsökonom mit liberaler Vergangenheit, beteiligt neben Bau-Haselsteiner (mit liberaler Vergangenheit) an der Health Care Company, bewarb sich ebenso wie die VAMED, bekannt seit ihrer Gründung 1982 beim Bau des AKH Wien. Und eine weitere Bieterin trat auf: die deutsche Sana-Kliniken GesmbH mit ihrem Chef Ulrich Bosch, Ex-KAGes-Manager und ÖVP-Favorit. Interessant daran ist, dass sich die Sana mit der Humanomed als Bieterin zusammen tat, an der wiederum die Merkur-Versicherung beteiligt ist (der steirische SPÖ-Chef Voves kommt übrigens aus der Merkur-Versicherung).
Die Sana zählt mit einem Umsatz von 1,8 Mrd. Euro (2002) zu den 50 umsatzstärksten Dienstleistungsunternehmen in Deutschland. Zu ihrem Verbund gehören 62 Krankenhäuser und 20 Seniorenzentren. Seit der Gründung im Jahr 1972 gehören inzwischen 30 private Krankenversicherungsunternehmen der Sana an, die damals den politischen Parolen vom "klassenlosen Krankenhaus" ein Gegengewicht setzen sollte. Darüber hinaus sollten Akutkrankenhäuser auch für den Wahlleistungs- und Komfortsektor geöffnet werden. Inzwischen hat sich die Sana einem weiteren Gebiet geöffnet: der Strategie des Managements von Krankenhäusern in fremder Trägerschaft. Damit und mit ihrem umfassenden Angebot auf den Gebieten der Informationstechnologie, Medizintechnik, Controlling, Bau und Technik, Einkauf und Logistik, Qualitätsmanagement, Personal und Recht, Fort- und Weiterbildung, Speisenversorgung, Reinigung und Wäscheversorgung war sie für die Landesregierung eine äußerst interessante Bieterin. Denn vor allem bei der Restrukturierung öffentlich-rechtlicher Krankenhäuser hat sich die Sana in Deutschland hervorgetan. Inzwischen zog die Sana mit einer sehr interessanten Begründung ihre Bewerbung zurück. Sie will keine Standortgarantie abgeben und sieht offenbar Schwierigkeiten, ihre rigorose Personalpolitik durchzupeitschen. Daher ist es interessant, ein Blick auf die gängige Praxis zu werfen.
Was PatientInnen und Beschäftigten mit der Übernahme durch einen privatwirtschaftlichen Konzern bevorsteht, mögen folgende Zahlen andeuten: während die KAGes derzeit 6.571 Planbetten mit 13.000 Dienstposten (15.000 MitarbeiterInnen) versorgt, schaffte es die Sana, 18.300 Betten (also fast das Dreifache) mit 25.400 MitarbeiterInnen zu bearbeiten. Obwohl die Zahlen nicht eins zu eins verglichen werden können (bei der Sana sind 20 Seniorenheime dabei) ist der Unterschied bemerkenswert. Die Sana wirbt in ihrem Konzept ‚Krankenhaus gestern - Sana-Krankenhaus heute’ mit dem Ergebnis, in fünf Jahren die Standorte der Spitäler von drei auf eins, die Verweildauer der PatientInnen um 4 Tage und die Zahl der MitarbeiterInnen von 604 auf 487 reduziert zu haben. Das alarmierte steirische ÄrztInnen und PatientInnen. Flugs beorderte die steirische Ärztekammer das Linzer market-Institut mit einer Umfrage unter 300 repräsentativen SteirerInnen. Das Ergebnis nicht verwunderlich: 66 Prozent befürchten negative Auswirkungen eines privaten Spitalsmanagements. Hauptängste betreffen mögliche Schließung ganzer Spitäler oder einzelner Abteilungen, weniger Personal, längere Wartezeiten, Qualitätseinbußen und ein Rückgang bei Investitionen. Nicht ganz zu Unrecht, wie weitere prominente SpitalsvertreterInnen aufhorchen lassen. Gabriele Kogelbauer, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien meint, allen im Gesundheitswesen sei bewusst, dass in den Gesundheitsbereich hineininvestiert werden muss, statt zu sparen. Der Erhalt des gesamten Systems stehe auf dem Spiel. Eine schleichende Rationierung durch Einschränkung der Kapazitäten von oben befürchtet auch Primar Klaushofer. Viele renommierte Klinikchefs in Graz sind tief besorgt und die Sorge um den Fortbestand eines öffentlichen Gesundheitswesens eint viele MedizinerInnen. Sie befürchten die Beschneidung sozialer Aufgaben ebenso wie das langsame Abschalten sich nicht rechnender Einrichtungen. Dies um so mehr als die Wartesituation für bestimmte Operationen schon jetzt teilweise dramatisch ist. Auf Herzklappen und Bypass-Operationen muss in Graz drei Monate gewartet werden, Herzschrittmacher-PatientInnen warten bis zu einem Monat, obwohl ihr Herz bei diesem Krankheitsbild jederzeit stehen bleiben kann. Weil Personal fehlt, mussten Betten bereits gesperrt werden, erläutert der Grazer Chef der Abteilung für Herzchirurgie.
Kritik und Unverständnis gegenüber der plötzlichen Suche nach einem privaten Management äußert auch der einstmalige Generaldirektor der Wiener Krankenanstalten und jetzige Professor für Gesundheits- und Sozialmanagement in Berlin. Er gibt zu bedenken, dass künftig die Vorstandsdirektoren der neuen Management-Gesellschaft als deren Angestellte fungieren und primär deren Interessen vertreten werden, und nicht die des Eigentümers Land Steiermark.
Aufgeschreckt durch kritische Pressemeldungen, versucht nun der steirische SP-Gesundheitslandesrat mit der Meldung zu beruhigen, dass keine Spitäler geschlossen werden. Auch die ÖVP-dominierte Landesregierung sowie der Landtag verfassen nach der Ankündigung der Gesundheitsministerin, 16.000 Betten Österreich weit streichen zu wollen, einen einstimmigen Beschluss zur Spitals-Standortgarantie in der Steiermark.
Tatsächlich bringt die Schließung kleinerer Spitäler in Summe offenbar ziemlich wenig. Selbst wenn die fünf kleinsten steirischen Spitäler (Eisenerz, Bad Aussee, Mürzzuschlag, Mariazell und Radkersburg) eingespart würden, brächte das nur zwischen drei und vier Prozent des Gesamtbudgets, rechnet der bisherige Vorstandsdirektor der KAGes vor.
Realität ist, dass Spitalsbetten in Österreich trotz steigender PatientInnenzahlen seit 1990 laufend eingespart wurden. Die Zahl der Betten sank seit 1990 von 76.687 auf 68.000 im Jahr 2002. Dagegen stieg die Zahl der PatientInnen im gleichen Zeitraum von 1,98 Mio auf 2,74 Mio. Auch in der Steiermark wurden bisher schon 1500 Betten eingespart, bis 2010 sollen es sogar 2500 werden. Fraglich ist, ob dieses KAGes-Konzept durch den neuen Managementbetreiber verwirklicht werden wird oder ob es ein Konzept geben wird, das noch mehr einspart. Köck & Co haben unlängst mit einer ganz anderen Variante aufhorchen lassen. In ihrer Studie empfehlen sie tiefe Schnitte, die (fast) alle Standorte betreffen würden, Einsparungspotenzial: 64 Mio Euro. Wenn also das Geld lockt, werden auch einstimmige Landtags- und Regierungsbeschlüsse fallen wie das reife Obst im Herbst.
Zurück zum steirischen SP-Gesundheitslandesrat Erlitz. Das große Geld lockt auch ihn: Künftig sollen Spitäler Geld verdienen. Er will zwar einerseits nicht, dass "Private auf Kosten der Patienten - etwa mit Spitalsschließungen - Gewinne lukrieren." Andererseits sollen Spitäler Gewinne machen, indem sie neue Geschäftsfelder erschließen, beispielsweise mit dem Betreiben von Sanatorien und möglicherweise auf dem weiten Feld der Rehabilitation. Auch die Privatvermietung der Operationssäle samt Instrumentarium und Gerätschaften an ambulante (zahlende) ÄrztInnen hält er für eine gute Möglichkeit. (So steht es übrigens auch eins zu eins im Sana-Konzept.) Angesichts schon jetzt glaubhaft geschilderter Praxis, dass ‚alte Mutterln’ vom Operationstisch wieder herunter genommen werden, wenn ein ‚besserer’ Fall dazwischen kommt, keine wirklich verlockende Aussicht für NormalpatientInnen im Spital.
Offenbar soll das steirische (und später das österreichische?) Gesundheits- und Krankenwesen am deutschen genesen. Dort wurden innerhalb von 1,5 Jahren rund 30 öffentliche Krankenhäuser verkauft. Auch das deutsche Ärzteblatt jubelt, die privaten Klinikketten - sowohl die börsennotierten Krankenhauskonzerne als auch die GesmbH - hätten sich trotz verschlechternder Rahmenbedingungen mit beachtlichen Umsatzsteigerungen und Markterfolgen etabliert.
Und künftig soll das osteuropäische Gesundheits- und Krankenwesen offenbar am österreichischen genesen. So schwebt es dem steirischen SP-Gesundheitslandesrat vor. Das Wissen der Landesspitäler - wie Geld zu verdienen ist - soll in Richtung neuer EU-Nachbarländer gewinnbringend weiter gegeben werden. Schöne neue europäische Klinikwelt.